Über das Projekt
Von den Online-Organen der Jagdlobby zur Schönschlachtprosa großer deutscher Fleischfabrikanten, von der Selbstdarstellung der Rüstungskonzerne zu Bordellhomepages und Freierforen sind es nur ein paar poetische Gedankensprünge. Oder Klicks.
Es geht um das Zusammenspiel von Sprache und Gewalt. Um die Verfügbarmachung und den Gebrauch von lebenden, zu tötenden und toten Körpern in der und durch die Sprache. Also darum, wie man zur Sache wird. Die Texte basieren auf im Internet frei zugänglichem Material, das tw. unverändert übernommen, tw. in seine Bestandteile zerlegt und neu zusammengesetzt wurde. Sie sind Resultat einer Recherchereise durch eine Sprachwelt von perfider Zweckmässigkeit. Diese Welt erscheint so alltäglich wie die Ansichten und Überzeugungen, die in ihr angesiedelt sind. Banal und tödlich zugleich.
Zur Sache. Poetische Bestandsaufnahmen zu beliebten Formen von Gewalt (140 Manuskriptseiten) besteht aus 4 Teilen:
Teil 1. Waidmannsheil. Texte vom Jagen (Leseprobe)
Teil 2. Fleisch. Texte zum Essen
Teil 3. Das große Bummbumm. Texte zur Verteidigung
Teil 4. Das kleine Paradies. Texte vom Sexmarkt
bleifrei zum erfolg
(blaser.de)
beste präzision
zuverlässige tötungswirkung
in optimaler weise verbunden
ganz bewusst aus kupfer
ganz bewusst bleifrei
hervorragende deformations
eigenschaft
der vordere teil des geschosses
spricht nach dem auftreffen
dank seiner speziellen
konstruktion mit expansions
kaverne und verdeckter
hohlspitze sehr schnell an
am geschoss bilden sich
im wildkörper vier
gleichmässige fahnen
ohne dass
wildbretmindernde
splitterbildung
auftritt
der moment des stillen bedauerns
(interview mit einem deutschen spitzenpolitiker, der gerade seinen jagdschein gemacht hat. göttinger tageblatt.de, 10.11.2018)
1
still
ich bin gerne
im wald
es war vor allem still
wo ich als kind
der moment
wenn man
das kleine wesen
mit winzigen hufen
und knopfaugen
der moment
des stillen bedauerns
ist eher
nach dem schuss
2
ich bin gerne im wald
wo ich als kind
viel zeit verbracht habe
mit winzigen hufen
und knopfaugen
das ist auch eine frage
das auch
3
still
man wartet
im wald
man wartet vor allem
als wenn ein mensch
als ein mensch
der moment des bedauerns
als mensch der wartet
das ist auch eine frage
das auch
4
still
nichts ist schrecklicher
als wenn ein mensch
sich nähert
man wartet
man muss erkennen
der moment des stillen bedauerns
ist eher nach dem schuss
nur wenn man kein herz hat
ist man da beim ersten mal
nicht gerührt
nur wenn man kein herz hat
nichts ist schrecklicher
man muss erkennen
ich bin gerne
im wald
vor allem
bin ich gerne
5
man wartet
man muss erkennen
ob das tier richtig
getroffen wurde
nichts ist für das tier
schrecklicher
als wenn ein mensch sich
beim sterben nähert
das ist auch eine frage
des respekts
vor dem wild
6
das ist aber eben
das ist aber eben
die natur
mit winzigen hufen
und knopfaugen
die vielen im alltag
fremd geworden ist